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Rasieren oder nicht rasieren?

Achtung, jetzt wird’s haarig

Ladies and Gentlemen, der Herbst ist da! Die Zeit von dicken Socken und Tee, von gemütlichen Abenden auf dem Sofa und dick eingemummelten Spaziergängen. Apropos einmummeln – ab jetzt gehören auch Strumpfhosen wieder in die vorderen Reihen des Kleiderschranks. Und wer wandert nach hinten? Naaaa, vielleicht der Rasierer? Denn mal ehrlich, mit sinkenden Temperaturen sinkt doch gleichzeitig auch die Motivation, die Beine zu rasieren, oder? 

Und schon haben wir eines der größten Diskussionsthemen: unrasierte Frauenbeine. Nur – was ist eigentlich so schlimm daran? Wieso schämen wir uns für behaarte Beine? Und wie viele von uns lassen doch heimlich wachsen? Das und mehr beantworten wir in diesem Beitrag. 

Fotocredit: freepik.com

Seit wann rasieren Frauen eigentlich ihre Beine? Und warum?

Gute Frage, immerhin sind Haare am Körper ja überhaupt nichts schlimmes. Sie stören nicht, sie stinken nicht (im Idealfall) und sie hindern uns auch nicht daran, unser Leben zu leben. Und trotzdem sind sie so nervig, dass wir spätestens alle drei Tage zum Rasierer greifen, um sie wegzumachen – oder zu Heißwachs, Epilierer, Laser und so weiter. Irgendwie gehört Beine rasieren einfach zum Alltag dazu.

Angefangen hat es eigentlich schon im alten Rom, also im 1. Jahrhundert nach Christus. Sowohl Männer als auch Frauen verwendeten Bimsstein, um unerwünschte Haare zu entfernen. Im alten Ägypten war die Schamhaarrasur bei Frauen ganz normal. Gleiches bei den alten Griechen. Die sahen sämtliche Körperbehaarung nämlich als barbarisch und nicht erwünscht an. Und dann kam das Mittelalter…

Nach einer längeren Episode von noch längeren Scham-, Achsel- und Beinhaaren waren es Mitte des 20 Jahrhunderts die Amerikaner, die das „Shaving“ wieder modern machten. Als Ausdruck ihrer Feminität entfernten Frauen ihre Körperbehaarung und es dauerte nicht lange, bis der Trend auch Europa erreichte. Und die Geschichte von Rasierern, Epilieren und Wachs nahm ihren Lauf.

Hygiene, Ästhetik oder Religion – Beine rasieren hat viele Gründe

Rasieren als religiöses Motiv? Allerdings. So war es zum Beispiel in der alten Kultur Indiens ein Muss, sich Scham- und Brusthaare sowie Gesichtsbehaarung regelmäßig zu entfernen. Denn im Hinduismus war Körperhygiene eines der obersten religiösen Gebote. Generell war und ist es jedoch meist so, dass eine religiös oder hygienisch motivierte Rasur eher den Intimbereich als die Beine betrifft. Wer seine Beine rasiert, tut das nämlich meist aus ästhetischen Gründen. 

Nach Ende des ersten Weltkriegs kamen kürzere Röcke und Kleider in Mode – und mit ihnen auch die ersten Damenrasierer. Denn wer Bein zeigt, wollte nicht unbedingt Haar zeigen. Behaarung galt als eine Art körperlicher Makel, den es zu eliminieren galt. So startete ein regelrechter Enthaarungsdrang. Gestutzt und geschürt durch Werbung entwickelte sich das lang- und glattbeinige Model zum Ideal, was jede Frau erstrebte – und gleichzeitig einen großen Druck aufbaute, weiß Winfried Menninghaus. Der Direktor der Abteilung Sprache und Literatur des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik geht sogar soweit zu sagen, dass Frauen eine Angst entwickelt haben, mit unrasierten Beinen keinen Partner mehr zu finden und evolutionsbiologisch abgehängt zu werden.

Keine rasierten Bein, kein Sex – echt jetzt?

Was irgendwie komisch klingt, ist tatsächlich Realität. Denn, so Menninghaus, die pausenlose Konfrontation mit Bildern von Models in allen möglichen Medien sei wie eine Gehirnwäsche. Vor der Erfindung von Fotographie und Druck sei das anders gewesen: Man sah hauptsächlich die Menschen, die man persönlich kannte. Durch sie wurde das Schönheitsbild geformt. Die waren natürlich weniger unrealistisch als die Bilder, die uns heute die Medien vermitteln.

Okay, die Medien sind also mal wieder Schuld. Könnte man auf jeden Fall meinen. Andererseits – wer bestimmt über uns? Eigentlich doch nur wir selbst. Und wenn wir keinen Bock haben, im Herbst unsere Beine zu rasieren, dann könnten wir es doch einfach lassen. Nur irgendwie ist das nicht so einfach. Tief in uns ist nämlich die Angst davor verwurzelt, anders zu sein. Nicht gemocht zu werden. Allein zu bleiben. Und wenn unrasierte Beine der Grund dafür sein sollten, dann rasieren wir sie halt ab. 

Bist du ein „Heimlich-Wachsen–Lasser“?

Wir sind also irgendwie zwiegespalten. Auf der einen Seite wollen wir uns gepflegt, sexy und wohlfühlen, auf der anderen Seite haben wir keine Lust, jeden Tag zum Rasierer zu greifen. Also werden wir zum Geheimniskrämer, zum Heimlich-Wachsen-Lasser und rasieren uns einfach mal ein paar Tage nicht – in der Hoffnung, dass es keiner merkt. Wir tun es alle. Wirklich alle.

Und wisst ihr was? Es ist überhaupt nicht schlimm. Wen sollte es stören, wenn es einen Tag mal etwas stoppeliger ist – die Strumpfhosen etwa? Okay, ihr meint, euer Partner findet euch dann nicht mehr attraktiv? Na, dann überlegt mal, wie attraktiv ihr seine Fürze findet (nein, kein „aber“! Jeder Mann furzt irgendwann und schämt sich nicht dafür). 

Also Ladies, let it grow!

Der Herbst ist lang genug. Probiert es doch einfach mal aus, euch nicht von eurem Rasierer unter Druck setzen zu lassen. Er kann auch ruhig mal einen Tag länger unbenutzt bleiben. Das wichtigste ist nämlich, dass ihr euch wohlfühlt. Und dazu gehört auch, sich nicht von einem selbstauferlegten Rasierzwang bestimmen zu lassen. Auf einen Tag kommt es echt nicht an. 

Und wenn euer Kerl sich beschwert? Dann sagt ihm, dass frau das jetzt so trägt. Oder dass ihr euch nur rasieren könnt, wenn er mehr kuschelt. Schließlich braucht ihr die Haare, um endlich nicht mehr so zu frieren 😉 

PS.: Und wenn euch die wachsenden Haare nerven – kein Problem! Dann rasiert ihr sie halt wieder ab. Das ist doch das tolle daran, ein selbstbestimmter Mensch zu sein. 

Fotocredit: freepik.com